Gedenken auf dem Fritz-Rahkob-Platz

14. August 2022

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Aktuelle Erinnerungsortetafel zur Erinnerung an den Widerstandskämpfer Fritz Rahkob (Foto: Knut Maßmann, 2022).

Seit der Neugründung der Kreisvereinigung Gelsenkirchen im Jahre 2006 haben Mitglieder der VVN-BdA Gelsenkirchen am 24. August, dem Jahrestag seiner Ermordung durch die Nazis, auf dem Fritz-Rahkob-Platz an ihn erinnert, mal mit einer offiziellen Kundgebung, mal als stilles Gedenken. In diesem Jahr lädt die Gelsenkirchener VVN-BdA zu einem stillen Gedenken ein.

Insgesamt vier innerstädtische Plätze wurden zwischen 1986 und 1988 nach Opfern und Gegnern des Nazi-Regimes benannt, um dauerhaft an Widerstand und Verfolgung in Gelsenkirchen zu erinnern. Die alte Gedenktafel für Fritz Rahkob war am 30. Januar 1987 feierlich vom damaligen Oberbürgermeister Werner Kuhlmann (SPD) und dem ehemaligen Widerstandskämpfer Franz Rogowski (VVN) enthüllt worden. Außer dem Fritz-Rahkob-Platz erinnern noch der Margarethe-Zingler-Platz, der Heinrich-König-Platz und der Leopold-Neuwald-Platz stellvertretend an den kommunistischen, den sozialdemokratischen und den christlichen Widerstand sowie an die Verfolgung der jüdischen Gelsenkirchener. Seit 2017 sind die Plätze erneuert und die alten Gedenktafeln durch neue, ausführlichere Erinnerungsortetafeln ersetzt worden. Inzwischen ist noch ein fünfter Platz hinzugekommen, der an das Sinti-Kind Rosa Böhmer erinnert und zugleich auch stellvertretend für alle vergessenen Opfer stehen kann.

Der Fritz-Rahkob-Platz erinnert an den Widerstandskämpfer Friederich Rahkob. Er wurde am 25. Juli 1885 in der damals selbständigen Gemeinde Rotthausen geboren. Er erkannte früh, dass in der Industrie des Ruhrgebiets höhere Löhne als in der Landwirtschaft gezahlt wurden. Als Bergmann wurde Fritz Rahkob 1905 in einer Arbeiterbewegung aktiv, die noch nicht in Sozialdemokraten und Kommunisten gespalten war. Nach einer zweijährigen Militärzeit im 1. Weltkrieg, die wegen einer Verwundung 1916 endete, kehrte er in seinen alten Beruf zurück und wurde während der Revolution 1918 Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates in Rotthausen und 1920 Mitglied der KPD, der Kommunistischen Partei Deutschlands.

Seit der Eingemeindung Rotthausens 1924 nahm Fritz Rahkob an den Arbeiterkämpfen in Gelsenkirchen teil, wurde Mitglied im Einheitsverband der Bergarbeiter in der RGO, der KPD-nahen Gewerkschaft. Nach einem schweren Arbeitsunfall musste er die Arbeit im Bergbau aufgeben. Die kommunistische Tageszeitung „Ruhr-Echo“ beschäftigte ihn erst als Kassierer, später im Versand.

Mit Beginn der Machtübernahme der Nazis im Jahre 1933 verbrachte der bekannte Kommunist Fritz Rahkob die Jahre von 1933 bis 1938 wie viele seiner Genossen in sogenannter „Schutzhaft“. Seine Ehefrau Emma Rahkob beteiligte sich während der Haft ihres Mannes aktiv am Widerstand. Dafür wurde sie am 20. November 1934 zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Entlassung arbeitete Fritz Rahkob auf der Baustelle eines Düsseldorfer Unternehmens und lernte 1943 Franz Zielasko kennen.

Unliebsame Erinnerung: Direkt nebeneinander wird durch die Benennung der Plätze an ein Sinti-Kind und einen Kommunisten erinnert (Foto: Knut Maßmann, 2022).

Franz Zielasko, Bergmann aus Gladbeck, Kämpfer in der „Roten Ruhrarmee“ 1920 gegen Kapp-Putsch und faschistische Freikorps, emigrierte 1932 in die Sowjetunion. Er kämpfte 1937 bis 1939 im Spanischen Bürgerkrieg gegen die Franco-Putschisten und wurde im März 1943 von der Sowjetunion mit dem Fallschirm über Polen abgesetzt, um im Ruhrgebiet Kontakt mit Gleichgesinnten aufzunehmen. In der festen Überzeugung, man müsse den Krieg und den Faschismus aktiv bekämpfen, schloss sich Rahkob der Widerstandsgruppe um Franz Zielasko an, der in mehreren Städten Kontakte knüpfte. Die Gruppe wurde verraten, im August 1943 verhaftete die Gestapo 45 Antifaschisten, darunter auch Fritz Rahkob.

Zielasko wurde schon bei den Verhören brutal zu Tode gefoltert. Fritz Rahkob und andere Kameraden wurden wegen „Vorbereitung zum Hochverrat u.a.“ vom sogenannten „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt. Am 24. August 1944 erfolgte in Stuttgart Rahkobs Hinrichtung durch Enthauptung, mit der zynischen Begründung, die Angeklagten seien es nicht wert, mit einer Kugel erschossen zu werden. Am Tag der Hinrichtung wurde auch seine Frau Emma verhaftet und erfuhr im Gestapo-Gefängnis von der Hinrichtung ihres Mannes. Kurz vor der Deportation in ein Konzentrationslager wurde sie von alliierten Truppen aus dem Münchener Polizeigefängnis befreit.

Rahkobs Kopf bewahrten die Nazis in Spiritus auf. Nach der Einäscherung am 1. Juli 1947 in Reutingen wurde die Urne von alliierte Soldaten nach Gelsenkirchen überführt, wo sie am 14. September 1947 feierlich auf dem Rotthauser Friedhof beigesetzt wurde. Das „Westfälische Volks-Echo“ berichtete darüber am 16. September 1947 unter der Überschrift „Fritz Rahkob ruht in Heimaterde.“

Die Stadt Gelsenkirchen tat sich – wie übrigens die gesamte alte Bundesrepublik Deutschland – lange Zeit äußerst schwer mit der Erinnerung an kommunistische Widerstandskämpfer gegen Nazi-Deutschland. Erst 1987, über 30 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft benannte der Rat der Stadt Gelsenkirchen einen innerstädtischen Platz nach Fritz Rahkob.

An seinem letzten Wohnort im Stadtteil Schalke, Liebfrauenstraße 38, erinnert seit dem 01.08.2011 ein Stolperstein an ihn.

Blick auf das Musiktheater unweit der zentral gelegenen Plätze (Foto: Knut Maßmann, 2022).

Fritz Rahkob hat die Befreiung vom Faschismus im Jahre 1945 nicht mehr erlebt. Wir können uns heute glücklich schätzen, den Faschismus an der Macht nicht am eigenen Leib erlebt zu haben. Desto wachsamer müssen wir auf das Auftreten alter und neuer Nazis reagieren, in welcher Verkleidung sie auch immer erscheinen. Theodor W. Adorno, der, katholisch getauft, erst von den Nazis mit ihren sogenannten „Rassegesetzen“ zum Halbjuden gemacht wurde, sagte dazu: „Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten.“

Im gleichen Jahr, in dem die ürsprüngliche Tafel angebracht worden ist, also 1987, veröffentlichten Hartmut Hering und Marlies Mrotzek ein Buch über die damals 40jährige Geschichte der Gelsenkirchener VVN unter dem Titel „Antifaschismus ist mehr als eine Gegenbewegung.“ Am Ende ihrer Darstellung ziehen die beiden Autoren ein Resümee, welches auch heute noch Gültigkeit hat.

„Eine der wichtigsten Aufgaben der VVN ist die Weitergabe der Erkenntnis, dass die Gefahr von Rechts endgültig nur zu beseitigen ist durch gemeinsam zu erkämpfende gesellschaftliche Veränderungen. Die VVN bemüht sich daher mittlerweile nicht nur um starke Bündnisse im Kampf gegen den Neofaschismus. Vielmehr wird jede Bewegung in der VVN einen politischen Partner finden, die sich für die Sicherung des Friedens durch Abrüstung, für den Ausbau der Demokratie und für die Beschleunigung und Festigung des sozialen Fortschritts einsetzt … In diesem Sinne war und ist der Antifaschismus stets mehr als nur eine Gegenbewegung.“

Quellen (hier) und zurückliegende Berichte und Ankündigungen im Blog „Antifaschistisches Gelsenkirchen“ (hier).