„Meinst Du, die Russen wollen Krieg?“

1. November 2020

, ,

Eine Zwangsarbeiterin, die nur 17 Jahre alt geworden ist.

Nach einer spontanen Idee trafen sich heute vormittag einzelne Mitglieder des Friedensforums Gelsenkirchen und der VVN-BdA Gelsenkirchen und schmückten die Grabstätte für die ermordeten sowjetischen Zwangsarbeiter*innen auf dem Westfriedhof in Heßler. Der Tag war nicht zuletzt deswegen gewählt worden, weil der Friedhof am 1. November, Allerheiligen, gut besucht wird. Abstand halten war aufgrund der Größe des Grabfeldes kein Problem.

Ein an einem nahen Baum angebrachtes Transparent mit den Aufschriften „Wir denken an Euch – Wir vergessen Euch nicht“ machte auf die Grabstätte aufmerksam. Während Leo das Lied „Meinst Du, die Russen wollen Krieg?“ anstimmte, verteilten Karmelita, Hildegard und Marco rote und weiße Grablichter auf die Grabstätten. Das Wetter war uns gewogen, es blieb trocken und nur wenig ging der Wind.

Hildegard, eine der Initiatorinnen beim Aufstellen und Entzünden der Grablichter.

Karmelita und Hildegard, die beiden Initiatorinnen, erklärte dazu: „Unabhängig vom religiösen Hintergrund drücken die Kerzenlichter Anfang des Winters die Gedenken der Angehörigen und Freunde an ihre Verstorbenen aus, ein Brauch für einen großen Teil der Bevölkerung. Die toten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter haben niemanden.“

Seit 2013 befindet sich an der Grabstätte eine Erinnerungsortetafel des Instituts für Stadtgeschichte (ISG), die den historischen Sachverhalt erläutert. Darauf steht unter anderem: „Auf diesem Gräberfeld sind 179 Männer und Frauen beerdigt, die während des Zweiten Weltkriegs zur Arbeit in Gelsenkirchen gezwungen wurden und dabei ums Leben gekommen sind. Der überwiegende Teil stammt aus der früheren Sowjetunion.“ Ein Gedenkstein mit kyrillischer Inschrift war nach dem Krieg auf Veranlassung des Alliierten Kontrollrates aufgestellt worden. Der für Deutsche nicht verständliche Text wird auch auf der Tafel des ISG übersetzt: „Hier ruhen sowjetische Bürger, die in der faschistischen Gefangenschaft in der Zeit von 1941 bis 1945 umgekommen sind.“

Ein Teil des Grabfeldes in der Dämmerung.

Als wir uns zur Dämmerung erneut trafen und einige der ausgegangenen Lichter neu entzünden mussten, verbreitete sich eine Atmosphäre, die die Fotos nur sehr unzureichend wiedergeben.

EIn Teil des Grabfeldes in der Dämmerung.

Der Text des Liedes „Meinst Du, die Russen wollen Krieg?“ stammt übrigens aus dem Jahr 1961 und wurde von Jewgeni Jewtuschenk, einem bekannten russischen Dichter und Schriftsteller des 20. Jahrhunderts geschrieben. Die deutsche Fassung stammt von Siegfried Siemund, die Musik von Eduard Kalmanowski. Es gehörte zu den Liedern, die bei Friedensdemonstrationen und Ostermärschen der 1960er Jahre gesungen wurde und auch in der Gegenwart seine Aktualität nicht verloren hat. Hier geht es zu einer russischen Fassung auf youtube.

„Meinst Du, die Russen wollen Krieg?“ im Original.