Stolpersteine und ihre Geschichten
9. November 2020
Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung, Gedenken, Reichspogromnacht, Stolperstein-Geschichten, Stolpersteine
Seit den 1990er Jahren erinnert der Kölner Bildhauer und Aktionskünstler Gunter Demnig mit seinem Kunstprojekt Stolpersteine (hier) an von den Nazis in den Jahren 1933 bis 1945 verfolgte und ermordete Menschen. Stolpersteine sind kleine quadratische Steine, die am letzten frei gewählten Wohnort ebenerdig in das Pflaster eingelassen sind. Man stolpert nicht im Wortsinn darüber, sondern im übertragenen Sinn und wird aufmerksam gemacht auf Menschen, die einst mitten unter uns gewohnt und gelebt haben, aber ausgegrenzt und in den meisten Fällen ermordet wurden. Inzwischen liegen weit über 60.000 Stolpersteine in 1265 Kommunen in Deutschland und in 21 Ländern Europas.
Es handelt sich bei den Stolpersteinen um eine Form der Erinnerung, die nicht auf rationale Beschäftigung, sondern auf persönliche Betroffenheit setzt. Das „größte dezentrale Denkmal Europas“ erinnert nicht an den meist abgelegenen Mordplätzen an die Taten Nazis, sondern an den Orten, an denen wir heute leben, wohnen, arbeiten. Neben der Beschriftung wie zum Beispiel „Hier wohnte“ finden sich weitere knappe Angaben, wie Name, Lebensdaten und Verfolgungsgrund. Dort, wo die verfolgten und ermordeten Menschen ihren Lebensmittelpunkt hatten, wird auf ihr Verfolgungsschicksal hingewiesen.
Seit 2009 hat Demnig auch regelmäßig in Gelsenkirchen Stolpersteine verlegt. Dies ist hier insbesondere dem Engagement von Andreas Jordan zu verdanken, der sich seit Jahren dafür einsetzt. Eine Übersicht der in Gelsenkirchen verlegten Stolpersteine und vieler recherchierter Hintergründe zu Personen und Ereignissen findet sich auf den Seiten der Arbeitsgruppe Stolpersteine (hier) bzw. von Gelsenzentrum e.V. (hier). Inzwischen liegen in Gelsenkirchen über 200 Stolpersteine, für aus ganz unterschiedlichen Gründen verfolgte und ermordete Menschen, sowie vor dem Polizeipräsidium in Buer eine Stolperschwelle für ermordete Zwangsarbeiter.
Die Beschreibung Gunter Demnigs als Bildhauer und Aktionskünstler macht auch die Bedeutung der Stolpersteine als Gesamtkunstwerk deutlich. Es geht nicht nur darum, dass Steine im Pflaster vorhanden sind. Seine Bedeutung erhält das Projekt durch die zelebrierte Verlegung selbst und durch die wiederkehrende Verlegung weiterer Stolpersteine. Darüber hinaus lassen sie sich für Formen entdeckenden Lernens ebenso nutzen wie für ganz profan scheinende Aktivitäten wie „Stolperstein-Putzaktionen“. Letztere erwecken durchaus eine ganz besondere öffentliche Aufmerksamkeit.
In den Jahren 2019 und 2020 entwickelte Knut Maßmann für die Gelsenkirchener VVN-BdA anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar ein weiteres Veranstaltungsformat, das in Anlehnung an eine 2016 gestartete Buchreihe des Eckhaus-Verlags (hier) den Namen „Stolperstein-Geschichten“ erhielt. Dahinter stand der übrigens geglückte Versuch, nicht wie während der Verlegung eine Rede abzulesen, sondern frei zu erzählen, was der Referent über die jeweilige Familie und die historischen Umstände erzählen konnte. Umgeben von einer kleinen Gruppe Interessierter, in einem Fall auch interessierte Nachbarn, entwickelte sich durch Nachfragen ein Gespräch.
Da in diesem Jahr aufgrund der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Kontaktbeschränkungen dieses Veranstaltungsformat nicht möglich war, freut sich die Gelsenkirchener VVN-BdA über die Möglichkeit, mit Unterstützung aus der Partei DIE LINKE einen Beitrag aufzuzeichnen und im Rahmen des Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung via Internet wiederzugeben (hier). Leider fehlen hier die Interessierten und ihre Nachfragen, sodass sich kein Gespräch ergibt.