KZ Buchenwald war auch in Gelsenkirchen
18. April 2020
BP, Buchenwald-Außenlager, Friedhof Horst-Süd, Gelsenberg Benzin AG
Anlässlich des 75. Jahrestages der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald erinnern die Landesvereinigung NRW der VVN-BdA und mehrere Kreisvereinigungen in diesen Tagen an die Außenlager des KZ Buchenwald, die ab 1943 in vielen Städten an Rhein und Ruhr errichtet worden waren. Geplant waren Veranstaltungen am 18. April 2020 in Düsseldorf, Bochum, Essen und Gelsenkirchen sowie am 19. April 2020 in Dortmund und Witten an den unterschiedlichsten Erinnerungsorten. Aufgrund der Einschränkungen aus Anlass der Coronavirus-Pandemie kann die VVN-BdA die Kundgebungen leider nicht in der geplanten Form durchführen. Die VVN-BdA Gelsenkirchen erinnert heute virtuell an das Außenlager Gelsenberg in Gelsenkirchen-Horst und dokumentiert die nicht gehaltene Rede.
Das im Stadtteil Horst befindliche Hydrierwerk der Gelsenberg Benzin AG (heute BP) war am 13. Juni 1944 durch einen alliierten Luftangriff stark getroffen worden. Dieses für die Nazi-Kriegsführung wichtige Werk, 1936 als Tochtergesellschaft der Gelsenkirchener Bergwerks-AG gegründet, lieferte seit Sommer 1939 Benzin aus Kohle aus der Schachtanlage Nordstern 3/4. Zur Trümmerbeseitigung wurde ein Außenlager des KZ Buchenwald mit großen Armeezelten und umgeben von Wachtürmen mit Maschinengewehren sowie (in der Erinnerung der überlebenden Frauen) einem elektrisch geladenen Stacheldrahtzaun auf einem freien Feld errichtet. Die 2.000 Zwangsarbeiterinnen für dieses Außenlager, ungarische Jüdinnen, die nach der deutschen Besetzung Ungarns im März 1944 zuerst ghettoisiert und dann in das KZ Auschwitz deportiert worden waren, wurden dort selektiert und über das KZ Buchenwald nach Gelsenkirchen verlegt.
Die Frauen, die hier am 4. Juli 1944 ankamen, waren nicht mehr als Frauen zu erkennen: kahl geschoren, trugen sie graue, sackähnliche Kleider und primitive Schuhe mit Holzsohlen. Die Mädchen und Frauen mussten bei karger Ernährung zwölf Stunden täglich schwere körperliche Arbeit für Aufräumarbeiten im Werk und beim Entladen der Schiffe im Hafen leisten. Acht schwangere Frauen wurden nach Auschwitz zurückgeschickt, mindestens zwei sind im Lager vermutlich an Thyphus gestorben. Am 24. August 1944 wurden auf Anforderung der Krupp-Walzwerke 520 der Frauen in das Außenlager Humboldtstraße nach Essen verlegt und später von dort in das KZ Bergen-Belsen gebracht. Die verbliebenen Frauen wurden am 11. September 1944 Opfer eines weiteren Luftangriffs auf das Werk. Die überlebenden Frauen mussten die sterblichen Überreste einsammeln, verbrennen und in Sammelgräbern auf dem Gelände verscharren. Das Lager wurde am 14./15. September 1944 aufgelöst und die Frauen, die noch am Leben waren, nach Sömmerda in Thüringen zur Zwangsarbeit bei Rheinmetall Borsig verlegt. Im Marien-Hospital in Gelsenkirchen-Rotthausen konnten dank des Einsatzes des Chefarztes Dr. Rudolf Bertram und mit Hilfe von Krankenschwestern und Unterstützern 17 schwerverletzte Frauen vor der Gestapo versteckt werden und erlebten hier in Gelsenkirchen die Befreiung vom Faschismus.
Nach der Befreiung vom Faschismus wurde am 14. Juli 1948 durch das jüdische Hilfskomitee nicht weit vom Standort des Lagers entfernt ein Grab- und Mahnmal errichtet. Anfang der 1950er Jahre wurde dieses aufgrund der Erweiterung des Werks an den heutigen Standort auf den Friedhof Horst-Süd verlegt und die sterblichen Überreste der Frauen umgebettet. Die Verfahren gegen die ehemaligen SS-Wachmannschaften wurden am 16. August 1971 eingestellt. Am 9. November 2003 übergab der damalige Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU) im Rahmen der jährlichen Gedenkfeier der Demokratischen Initiative (DI) die Informationstafel der Öffentlichkeit, die 140 anonymen Opfern ihre Namen wiedergibt. Am 16. September 2018 wurde das Mahnmal mit einer Skulptur ergänzt, die von angehenden Steinmetzen des Hans-Schwier-Berufskollegs Gelsenkirchen erarbeitet und gefertigt worden war.