Zeit für Antifaschismus!
8. Mai 2020
8. Mai, Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung, Rede
Wir dokumentieren die Rede von Knut Maßmann, Landessprecher der VVN-BdA NRW auf der Kundgebung des Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung am 8. Mai 2020 im Stadtgarten Gelsenkirchen. Die Initiatoren unterstützen die bundesweite Kampagne der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano und der VVN-BdA, die fordern, den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus zum Feiertag zu erklären. Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
hier vor Ort im Stadtgarten Gelsenkirchen und im Internet,
an diesem 8. Mai jährt sich zum 75. Mal die Befreiung Europas vom Faschismus. Der von Nazi-Deutschland ausgegangene 2. Weltkrieg war mit einer unglaublichen Zerstörungsgewalt auf Deutschland zurückgefallen, das „Dritte Reich“ zerstört, besiegt, besetzt und geteilt.
Natürlich wussten die Nazis schon vorher, dass sie diesen Krieg nicht mehr gewinnen konnten. Nur wenige Meter entfernt findet sich der Ort, wo noch kurz vor Kriegsende 1945 Zwangsarbeiter aus Osteuropa vermutlich von einer Volkssturmeinheit mit Genickschüssen ermordet und in einem Bombentrichter verscharrt worden sind. Diese und viele andere Massenmorde stehen für das Nachkriegskonzept der Nazis, Gegner und Zeugen ihrer Verbrechen nicht am Leben zu lassen. Wie real diese Absicht auch in unserer Stadt war, lässt sich beispielsweise an einer „Mordliste der NSDAP-Ortsgruppe Buer-Middelich“ sehen, die das Gelsenkirchener Institut für Stadtgeschichte dokumentiert hat.
Vor wenigen Monaten, am 27. Januar anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee, hat Esther Bejarano, Überlebende von Auschwitz und Ravensbrück und Überlebende des Todesmarsches in einem Offenen Brief an den Bundespräsidenten und der Bundeskanzlerin in bewegenden Worten gefordert, den 8. Mai, den Tag der Befreiung vom Faschismus zum Feiertag zu erklären.
Darin schreibt sie unter anderem: „Es ist für uns Überlebende unerträglich, wenn heute wieder Naziparolen gebrüllt werden, wenn Menschen durch die Straßen gejagt und bedroht werden, wenn Todeslisten kursieren. Wir wollen uns nicht gewöhnen an Meldungen über antisemitische, rassistische und menschenfeindliche Attacken in Berlin und anderswo, in Halle, wo nur stabile Türen die jüdische Gemeinde schützten, aber zwei Menschen ermordet wurden.“
Esther Bejarano ist Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland und auch Ehrenvorsitzende der VVN-BdA, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, übrigens genau der Vereinigung, gegründet 1946/47 von den Überlebenden und heute von Nachkommen der Überlebenden und Antifaschistinnen und Antifaschisten fortgeführt, der ein Berliner Provinzfinanzamt die Gemeinnützigkeit aberkannt hat. Gemeinsam haben Esther und die VVN-BdA eine Petition gestartet, die fordert, den 8. Mai zum Feiertag zu machen!
Diese Petition hat bisher über 100.000 Unterstützerinnen und Unterstützer gewonnen, Gewerkschaften und Politiker aus allen demokratischen Parteien unterstützen diese Forderung. Gestern, am 7. Mai, hat die VVN-BdA zusammen mit der Online-Plattform change.org die Unterschriften in Berlin auf dem Platz der Republik, das ist die große Wiese vor dem Reichstagsgebäude, an Vertreterinnen und Vertretern von SPD, Grünen und Linken übergeben, während gleichzeitig die Zahl der Unterstützer im Internet weiter stieg und noch immer weiter steigt.
Alexander Gauland von der rechten Alternative für Deutschland hat kürzlich wieder einmal deutlich gemacht, das die AfD und mit ihr verknüpften rechten Populisten, Rechtsextremisten und Faschisten für das Deutschland bis 1945 stehen und für ein Deutschland nach 1945, als alte Nazis in Politik, Justiz, Schule und Wirtschaft, bei der Gründung von Polizei, Geheimdienst und Bundeswehr zahlreich und einflussreich vertreten waren.
Gegenüber der erstarkenden Rechten, die sich „das Land und die Geschichte“ zurückholen will, wäre es ein starkes demokratisches und antifaschistisches Signal, den 8. Mai bundesweit zum Feiertag zu erklären! Eine solche Aufwertung dieses Tages kann nach unserer Auffassung dazu beitragen, die Bedeutung dieses Tages, stärker bewusst zu machen und ein konsequenteres politisches Handeln gegen rechts durchzusetzen.
Peter Gingold, deutscher Widerstandkämpfer in der französischen Resistance, sprach vom 8. Mai als dem „Morgenrot der Menschheit“. Lasst uns gemeinsam das Morgenrot der Menschheit feiern, denn wir wissen: Wer nicht feiert, hat den Krieg verloren!
Die Lehren des 8. Mai umzusetzen, bedeutet für uns:
* AfD, NPD und ihre Verbündeten aufzuhalten,
* das Treiben gewalttätiger und mordender Neonazis zu unterbinden, ihre Netzwerke in Polizei und Bundeswehr aufzudecken und aufzulösen
* einzugreifen, wenn Jüdinnen und Juden, Muslime, Roma und Sinti und andere, die nicht in das Weltbild von Nazis passen, beleidigt und angegriffen werden
* Geflüchtete in Deutschland aufzunehmen,
* die Logik des Militärischen zu durchbrechen und Waffenexporte zu verhindern und
* die Diffamierung und Behinderung demokratischer und antifaschistischer Gruppen und Organisationen durch Geheimdienste und Finanzämter zu beenden.
Sonntagsreden, die Betroffenheit zeigen, reichen nicht. Es muss gestritten werden für die neue Welt des Friedens und der Freiheit, die die befreiten Häftlinge im Schwur von Buchenwald als Auftrag hinterlassen haben. Ein offizieller bundesweiter Feiertag wäre dafür die regelmäßige Verpflichtung. Nicht nur, aber eben auch an jedem 8. Mai in jedem Jahr.
Deshalb: Achter Mai – arbeitsfrei! Zeit für Antifaschismus!
Vielen Dank für das Zuhören!