Doppeltes Gedenken
27. Januar 2020
Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung, Holocaust-Gedenktag, Stolperstein-Geschichten
Aus Anlaß des diesjährigen Holocaust-Gedenktages, der an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz vor nunmehr 75 Jahren am 27. Januar 1945 erinnert, setzte die Gelsenkirchener VVN-BdA ihre Reihe „Stolperstein-Geschichten“ an der Wildenbruchstraße am Stolperstein für Helene Lewek fort. Zugleich erinnerte die Vereinigung an die erste Deportation Gelsenkirchener Jüdinnen und Juden am 27. Januar 1942 in das Ghetto Riga.
In kleiner Runde erzählte Knut Maßmann, was die Arbeitsgruppe Stolpersteine über Helene Lewek herausgefunden hatte, ergänzte mit eigenen Rechercheergebnissen und zeigte anhand der beiden für Helene Lewek am 22. Juni 2010 von Gunter Demnig verlegten Stolpersteine die zunehmende Ausgrenzung der Jüdinnen und Juden auf. Helene Lewek, am 29. Juli 1881 in Mikstat, in der preußischen Provinz Posen, geboren, wohnte in Gelsenkirchen am damaligen Moltkeplatz (heute Neustadtplatz 6). Das Haus wurde in der Nazi-Zeit zu einem der sogenannten „Judenhäuser“, in die Juden aus ihren bisherigen Wohnungen umziehen mussten und unter beengten Verhältnissen untergebracht wurden. Schließlich standen pro Familie nur noch ein Raum zur Verfügung.
Die Ausstellungshalle, an die heute nichts mehr erinnert, war 1925 mit einer Kochkunst und Gewerbeausstellung eröffnet und 1944 aus Brandschutzgründen abgerissen worden. Im Januar 1942 wurde sie für wenige Tage zu einem Sammellager für 355 zu deportierende Jüdinnen und Juden aus Gelsenkirchen. Die 60jährige Helene Lewek setzte ihrem Leben hier am 25. Januar 1942 ein Ende und entzog sich so der Deportation durch Flucht in den Tod. Alle anderen mussten am 27. Januar 1942 zum Güterbahnhof laufen und wurden in einer mehrtägigen Zugfahrt in das Ghetto Riga gebracht. Dieses war zuvor von deutscher und lettischer SS „freigemacht“ worden, ihre Bewohner in den nahen Wäldern von Rumbula ermordet worden. (Nur am Rande sei erwähnt, dass Ehemalige der lettischen SS jährlich einen „Tag der Ehre“ in Riga feiern.)
In weiteren Transporten wurden insgesamt 615 Jüdinnen und Juden aus Gelsenkirchen deportiert, nur 105 von ihnen haben die Mordmaschinerie der Nazis überlebt.
Bei „Stolperstein-Geschichten“ handelt es sich um eine lose Veranstaltungsreihe, die mit dem letzten Holocaust-Gedenktag 2019 begonnen wurde. Erzählt werden individuelle und historische Hintergründe zu dem jeweiligen Stolperstein oder den Stolpersteinen. Begonnen wurde die Reihe mit den Stolpersteinen für die Familien Krämer und Nussbaum.